Kunst, Literatur usw.

Freitag, 20. Januar 2012

Frauenkulturbericht

Neben dem Kunst,- und Kulturbericht der Stadt Wien gibt es einen sogenannten Frauenkulturbericht, der in den genannten Kulturbericht integriert ist. Der Kunst,- und Kulturbericht ist an und für sich eine Leistungsschau der Wiener Kultur. Die Institutionen der Stadt Wien werden vorgestellt und alle Leser*innen des Berichts können sich einen guten Überblick darüber verschaffen, was in der Stadt los war. Um das Beispiel "Literatur" (Bericht 2010) stellvertretend für alle anderen Bereiche heran zu ziehen. Die großen Literaturfestivals wie "Literatur im Herbst" und "o-Töne" werden ebenso angeführt wie die Aktivitäten der "Alten Schmiede". Dass in anderen Kultursparten die Aktivitäten vielfältiger und zahlreicher sind als in der Literatur ist ein eigener thematischer Bereich und wurde eigens bei einer Literaturenquete der IG Kultur und IG Autor*innen im November 2011 eingehend besprochen

Als ich auf dem Deckblatt des Kunst,- und Kulturberichts auch das Wort Frauenkulturbericht las, war ich freudig gespannt und positiv gestimmt, dass es hier im Sinne der Gleichstellung und des Gender Mainstreamings auch interessante Daten und Fakten gäbe, die diesem Weblog und meinem damit verbundenen Interesse entsprächen. Sie ahnen es schon; dem war nicht so - der Konjunktiv hat mich verraten. Der Frauenkulturbericht umfasst zwar fast die Hälfte der gesamten Darstellung, beschränkt sich jedoch auf eine Auflistung von Institutionen, die gefördert wurden und die einen weiblichen Vorstand inne haben. Zudem wurde in schönen Tortencharts dargestellt, wie die Jurybesetzungen bei den einzelnen Wettbewerben und Preisvergaben nach Geschlecht besetzt waren. Insofern ist der Frauenkulturbericht in diesem Punkt ein Gender-Bericht, da er zumindest Männer und Frauen abdeckt. Es finden sich keine Informationen über Kulturveranstaltungen mit einem Gender,- Frauenschwerpunkt - der/die geneigte Leser*in hat außer Listen nicht wirklich etwas. Und dann ist die Auskunft, dass in den geförderten Vereinen im Präsidium säßen durchaus ambivalent. Bei der IG Autor*innen ist mit Renate Welsh eine Frau als Präsidentin eingetragen und die Geschäftsführung obliegt einem Mann - Gerhard Ruiss. Ein Frauenkulturbericht, der nur quantitativ aufzählt wo überall Frauen mitarbeiten ist definitiv zuwenig und sagt nichts über das tatsächliche Verhältnis in der Qualität aus.

Dienstag, 3. Januar 2012

Mamaland

Sabine Scholl versteht ihr Handwerk als Autorin. Soviel ist gewiss. Außerdem ist sie eine viel Gereiste. Sabine Scholl wurde in Oberösterreich geboren, studierte in Wien, ging nach Aveiro in Portugal, zog nach Chicago, New York, und schließlich ins japanische Nagoya. Sie lebt heute mit zwei Kindern in Berlin, lehrt Literarisches Schreiben am DLL, seit 2009 am Institut für Sprachkunst der Universität für angewandte Kunst Wien. Sie verfasste zahlreiche Bücher, bekam etliche Preise und Stipendien.

Das Stichwort "Kinder" ist für ihr nächstes Buch das Leitthema: Mamaland, so der Titel des Werkes, das im Laufe des Jahres 2012 erscheinen soll.

Sabine Scholl versteht ihr Geschäft. Anfang November 2011 platzierte sie einen Auszug, einen Ausschnitt aus Mamaland im Feuilleton der österreichischen Tageszeitung "Die Presse". Einen anderen Textauszug präsentierte sie in der Ausgabe 95 von "Lettre international." Auch in der Literaturzeitschrift "kolik" (Aausgabe 47) ist von Mamaland zu lesen.

Worum geht es in "Mamaland". Im Wesentlichen ist es ein Dokumentation des Mutterseins über 4 Generationen und somit auch die eigene Geschichte von Frau Scholl. Während der Auszug in "die Presse" sich im Wesentlichen auf eine Episode in Chicago reduziert, gibt der Auszug in "Lettre" schon mehr her. Wir lesen von komplizierten Familienverhältnissen, in denen die Männer stets die großen Abwesenden sind, jene, die immer wieder neu anfangen (können). Wir lesen von den verschiedenen Wahrnehmungen der Mütter durch ihre Kinder und der Kinder durch ihre Mütter. Fremd,- und Eigenwahrnehmung ist neben den verschwindenden Männern eines der Hauptthemen in beiden Auszügen.

Sabine Scholl versteht ihr Geschäft, da sie bereits einen Kunstpreis der Wirtschaftskammer Oberösterreich (3000 Euro) für das noch nicht erschienene "Mamaland" gewonnnen hat. In der Presseaussendung der WKOÖ heißt es:

"Der Roman "Mamaland", der 2012 erscheinen wird, besticht sowohl durch Idee, als auch durch Konzeption und sprachliche Umsetzung. Gewohnt gesellschaftskritisch setzt sich die Autorin auch in diesem Roman wieder mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen, Stereotypen und sozialen Ungleichheiten auseinander. Sie beleuchtet und hinterfragt die Kons­truktion von Frauenbild und Mutterrolle in Literatur, Mythologie und Realität. „Mamaland“ ist eine — autobiografisch inspirierte — weibliche Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts der Groß­mütter, Mütter, Töchter und Enkeltöchter, die sonst unerzählt bleibt. In klarer poetischer Sprache werden die verschiedenen Perspektiven aus mehreren Frauengenerationen gekonnt mit­ein­ander zu einem beeindruckenden Ganzen verwoben, das weit über eine einzelne Familiengeschichte, die in Oberösterreich ihren Anfang nimmt, hinausweist."

Sabine Scholl versteht ihr Geschäft. Das Nähen hat sie sich von der Mutter abgeschaut und so webt sie die Erzählstränge ineinander. Der Auszug in "Lettre" ist tatsächlich ein kunstvolles Ineinanderweben der einzelnen Frauenschicksale. Er zeigt jedoch auch, wie in unterschiedlichen Kulturen und Zeiten mit Kindern umgegangen wird, wie unterschiedlich Kinder in verschiedenen Städten aufwachsen und wie schwer es ist, Mutterschaft (das beginnt schon beim Stillen oder Nichtstillen können), Karriere und Selbstverwirklichung unter einen Hut zu bringen sind, wenn niemand anderes da ist, der die Erziehungsarbeit übernimmt. Besonders schwierig ist es als Alleinerziehende. Der alte "Ärzte"-Song "Männer sind Schweine" könnte als Subtext gelesen werden, auch wenn Scholl es nie so explizit sagt. Aber das mehrmalige Wiederholen, dass Männer "neu beginnen" können - ist nicht ohne Bitternis. Fast schon könnte man glauben, die Ich-Erzählerin begreift sich als Restbestand, als Übriggebliebene der alles überantwortet wird. Ein weiteres Thema ist die Einsamkeit auf verschiedenen Ebenso. Als Mutter und Intellektuelle fühlt die Ich-Erzählerin sich nirgendwo gut aufgehoben. Bei den anderen Müttern zählt das Intellektuelle nicht und bei den Intellektuellen ist das Thema Mutterschaft tabu. "Mamaland" erzählt also auch davon wie Mutterschaft das Leben verändert, vereinsamen läst, obwohl frau doch ständig von Kindern und Kinderbetreuer*innen umringt ist.

"Mamaland" ist auch ein politisches Plädoyer für gerechtere Regeln bei der Betreuungspflicht von geschiedenen Eltern und die Anerkennung der Kindererziehung und Mutterschaft als Arbeit und gesellschaftlichen Beitrag.

Sabine Scholl versteht ihr Geschäft als Autorin und Mutter. Davon legt "Mamaland" beredtes Zeugnis ab.

Mamaland - Auszug - Die Presse

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