Ideologisches

Mittwoch, 22. Februar 2012

Die Sache mit dem Zwang

Neulich in einer Diskussion. Mein Mitdiskutant (männlich) brachte das Beispiel eines vermeintlichen Kindergartens in dem Buben zum Schminken und Mädchen zum Raufen gezwungen werden würden.
Abgesehen davon, dass ich nur ein Beispiel von einem Gymnasium kenne, in dem eine Lehrerin einen Rollentausch bei ihren Schülern (Burschen in Mädchenkleidern und mit weiblichen Vornamen) vornahm, war mein Mitdiskutant nicht davon abzubringen, dass die von ihm angeführte "Zwangs"maßnahme schädlich sei. Argumente, dass durchaus traditionelle Rollenbilder vielleicht etwas brachial hinterfragt werden würden, akzeptierte er nicht. Abgesehen, davon, dass ich Kinder ebenso wenig zu irgend etwas zwingen wollte, konnte ich mich nicht mit ihm darüber verständigen, dass es systemische Zwänge gäbe - Stichwort blau für die Buben, rosa für die Mädchen oder die fast schon obligate Puppe für die Mädchen und den noch obligateren Fußball für die Burschen. Aber wie dem auch sei.

Tatsächlich waren in der Diskussion zwei Punkte interessant. Das Thema Gender führt offensichtlich noch immer zu Abwehrreaktionen (nicht nur bei Männern). Hier dürfte also etwas schief gelaufen sein in der Kommunikation. Zweitens: Es werden systemische Zwänge noch immer als naturgegeben angesehen, was natürlich eine spannende Sache ist. In der Diskussion landeten wir auch wieder schnell bei dem Argument, dass Frauen ja schließlich auch schwanger werden würden. Ich lenkte dann ein mit einem "let's agree to differ" und versuchte es über die Diversitätsschiene. Hier ist deutlich weniger verbrannte Erde in der Diskussion festzustellen.

Samstag, 11. Februar 2012

Die blauen Narzissen und Gender Mainstreaming

Die "Blaue Narzisse" hat sich - ihres Logos gemäß - zu einer Pfeilspitze gegen das Gender Mainstreaming emporgeschwungen und schießt in schöner Regelmäßigkeit ihre Giftpfeile in Richtung jener Menschen, die versuchen eine Gleichwertigkeit der Geschlechter zu erreichen - bei gleichen Pflichten und Rechten. Unter dem Deckmantel der Gender Mainstreaming-Kritik verstecken sich verschiedene Gesinnungen, die oftmals offen gar nicht mehr ausgesprochen werden dürften.

In einem am 02. Februar verbreitet der männerbewegte Autor André Rebenow seine "grundsätzlichen und grundlegenden" Thesen zu Gender Mainstreaming, die gelinge gesagt ein Sammelsurium an Behauptungen sind, ohne empirische Grundlagen. Gewürzt wird das Süppchen noch mit einer guten Portion Verschwörungstheorie, da die Rede von "geheimen Akteuren" ist.

Die Auswirkungen von Gender Mainstreaming liegen für den Autor klar auf der Hand: "die Feminisierung der Sprache und des Bildungssystems, die political correctness und ständige Angriffe gegen Religion und Kirche, so sie christlich sind."

Wie bei Verschwörungstheoretikern üblich kommt noch eine gute Portion Opferbewusstsein hinzu. Der Autor bedauert, dass Anhänger (Anhängerinnen gibt es nicht) des GM die Kritiker*innen als "konservativ und rechtradikal" bewerteten. Die Opferterminologie geht natürlich munter weiter. "Herabsetzung der Männer", "Entrechtung der Väter". Ganz deutlich klingt eine Argumentation heraus, wie sie über die Jahrhunderte aufgebaut worden ist. Der Autor spricht davon, dass die Geschlechter verschiedene Aufgaben haben, die aus ihrer Verschiedenheit entspringen. Rebenow führt den Gedanken nicht aus. Die Interpretation fällt jedoch leicht. Der grundlegende Unterschied zwischen Mann und Frau besteht in der Schwangerschaft und dem Austragen von Kindern. Dies können Männer bis dato definitiv nicht. Daraus jedoch grundlegende Aufgaben zu entwickeln erinnert doch zu sehr an Heim und Herd-Mentalität.

Herr Rebenow spricht ebenfalls davon, dass weibliche Gewalt an Männern von Staat und Medien tot geschwiegen würde. Er bleibt uns jedoch die Zahlen schuldig, die ein solches Unterfangen demonstrieren. Eine kurze Recherche zeigt, dass das Thema keineswegs tot geschwiegen wird. So brachte die "Kulturzeit" auf 3sat (sic!!) einen Fernsehbeitrag zum Thema, indem auch kritisch zugegeben wurde, dass die Gewalt von Frauen an Männern stiege (oft aus falsch verstandenem Feminismus). Und als Anhänger*in des Gender Mainstreamings ist es absolut richtig auch dieses Thema aufzuzeigen. Und zwar differenziert und nicht schwarz-weiß.

Aber wie dem auch sei. Es geht noch abenteuerlicher. Den Frauen würde "die Ungerechtigkeit suggeriert". Herr Rebenow ist also der Meinung, dass es überhaupt kein Ungleichgewicht zwischen Mann und Frau gibt. Die These, dass immer mehr Frauen in den Arbeitsmarkt gedrückt werden würden, hat schon einiges für sich. Die Ursachen und Auswirkungen, die der Autor anführt, sind mehr als abenteuerlich. Heute müssen Frauen in vielen Fällen sich auf dem Arbeitsmarkt bewähren, da sie auch finanziell einen Beitrag leisten müssen. In vielen Familien geht es schlichtweg ums Überleben. Horrende Lebenshaltungskosten und sinkende Löhne sind die Ursache, hinzu kommt ein gewaltiger Druck über den Konsumismus. Die Alleinversorger*innnenmentalität hat ökonomisch ausgedient. Das von Rebenow angeführte Argument der Steuern und Abgaben ist nur bedingt relevant, da Frauen vornehmlich Teilzeitjobs ausüben und zumindest in Österreich Gehälter unter 1200 Euro Brutto nicht mit Lohnsteuer behaftet sind.

Wissenschaft und Technik - die letzte Bastion

Herr Rebenow sieht die Wissenschaft und Technik noch in Männerhand und fürchtet sich davor, dass immer mehr Frauen ini diesen Bereich eindringen. Sein Schreckensszenario besteht darin, dass die armen Männer in minder bezahlte Bereiche wie Pflege etc. abgedrängt werden sollen. Herr Rebenow stellt also nicht die Grundfrage wieso weiblich dominierte Berufe schlechter bezahlt sind und wie man/frau das ändern könnnte. Nein, er sieht sogar das Mittel der "positiven Diskriminierung" als Teufelswerk. Aus Gender Mainstreaming-Sicht ist natürlich die sogenannte "positive Diskriminierung" als Diskriminierung abzulehnen - zumal sie zu neuen Abhängigkeiten führen kann, die sie eigentlich bekämpfen sollte. Aber auch hier zeigt Herr Rebenow, dass er mit Halbwissen um sich wirft. "So gingen die Gender-Ideologen einen weiteren Schritt und erfanden die positive Diskriminierung. Wenn Frauen nicht Chef sein können, weil sie vielleicht nicht die Ausbildung haben, weil ihnen das Leistungsniveau fehlt, dann sollen Männer das auch nicht." So seine Einschätzung.

Das Beste kommt zum Schluss

Rebenow behauptet, dass "das männliche Verhalten" ausgetrieben werden würde. Jungen dürften sich nicht mehr körperlich messen (gemeint sind wohl die Faust oder der Degen, denn ich habe noch nicht gehört, dass sportliche Wettkämpfe aus GM-Kriterien verboten wurden). Dies führe zu einem Druckkesselverhalten und einem mehr an Aggressionen und Autoaggressionen, die mit Ritalin bekämpft würden. Das Schlimme ist, dass Herr Rebenow keine Beispiele oder empirische Anhaltspunkte für diese Behauptung liefert und sprachlich zur Verallgemeinerung tendiert.

Die Konklusio von Herrn Rebenow ist pauschal wie falsch. "Es bringt nichts, sich auf die Euphemismen der Politiker einzulassen. Nicht umsonst verlieren sie kein Wort über GM. Bekannt sein dürfte ihnen die sexuelle Gleichschaltung inkl. der Folgen schon längst." Gender Mainstreaming wird diskutiert und einer der Hauptpunkte ist nicht die Gleichschaltung sondern die Gleichwertigkeit der Geschlechter in ihrer Differenz.

Link: Blaue Narzisse

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