Am Schauplatz - Prostitution in Schweden und Deutschland

Anlässlich des neuen Wiener Prostitutionsgesetzes hat der ORF das Thema für sich entdeckt. Eine Sendung der ehrenwerten Sendereihe "Am Schauplatz" zeigt, wie Prostitution in Deutschland respektive in Schweden funktioniert.

Die Grundaussage des Beitrages ist relativ einfach und tendenziell. Prostitution ist pfui gack und in Schweden ist alles besser, weil Prostitution verboten ist. Deutschland mit seiner liberalen Haltung bezüglich Prostitution sei deutlich schwieriger, Menschenhandel an der Tagesordnung etc.

Prinzipiell kann ich dieser Aussage ja beipflichten, doch ist die Art und Weise, wie dieser Beitrag "Am Schauplatz" gestaltet wurde bedenklich. Es wurden schwedische Äpfel mit deutschen Birnen verglichen. Es wurde ein einziger Freier interviewt, wobei es sich um einen Aktivisten gegen das schwedische Prostitutionsverbot handelte, der auch noch schwer körperlich beeinträchtigt ist. Dieser Mann outete sich vor der Kamera als Freier. Er bliebe lieber alleine und bevorzuge Sex mit Prostituierten. Ich hatte das Gefühl, dass er ein großes Stück Selbstbestimmung darin sah, sexuell aktiv sein zu können ohne eine Beziehung, die eventuell auf Mitleid fußt, eingehen zu können. Vielleicht ist es auch die Furcht vor Ablehnung aufgrund der sprachlichen und motorischen Beeinträchtigungen, die ihn zu diesem Schritt bewog. Das wurde nicht hinterfragt.

Zudem war sehr interessant, dass sowohl ein schwedischer Polizist als auch ein schwedischer Sozialarbeiter die Freier als Opfer beschrieben. Dazu muss man wissen, dass die Freier in Schweden grundsätzlich kriminalisiert werden, trotzden setzt man auch auf Beratung; ein Aspekt, der mir sehr wichtig erschien. Ferner ist der Umgang in Schweden in puncto Gleichberechtigung ein anderer als etwa in Deutschland und Österreich. Die Gesellschaft scheint mir viel offener - gerade was den Umgang mit Sexualität betrifft. Die schwedische Episode war sehr bemüht verschiedene Aspekte zu beleuchten. Die Reporterin hielt sich angenehm im Hintergrund.

Im Gegensatz zur Kollegin, die in Deutschland recherchierte. Es wäre besser gewesen sie nicht bei den Gesprächen einzublenden. Österreichischen Dialekt in Berlin zu reden kommt vielleicht nicht so gut, ebenso wie die persönliche Meinung in Wort und Gestik einfließen zu lassen. Ein schönes Beispiel war das Gespräch mit der Chefin eines Beratungsvereins für Prostituierte und einer Sexarbeiterin zum Thema "Verrichtungsboxen" in Dortmund. Die Verrichtungsboxen waren Bereiche, in denen Freier und Prostituierte am Straßenstrich ungestört sein konnten. Zudem gab es einen Notfallknopf für die Arbeiterinnen und eine Beratungsstelle in einem Container in der Nähe. Die Boxen wurden aus diversen Gründen wieder abgerissen und der Straßenstrich verboten. Die interviewte Beraterin und die Sexworkerin zeigten wenig Verständnis für den Abriss. Die österreichische Reporterin meinte daraufhin, dass es ja schließlich auch die Ehefrauen seien, die diese Boxen mitfinanzierten, vielleicht für den eigenen Mann sogar. Daraufhin entgegntete Frau Reböller (?) vom Beratungszentrum, dass dies ja nichts damit zu tun habe. Es habe die Stadt Dortmund die Boxen aufgestellt. Die Reporterin hakte nach: "Aber das sind ja auch Steuergelder." Die Replik der Sexarbeiterin kam wie aus der Pistole geschossen, dass auch Steuergelder bei einer Ermordung einer Prostituierten in Anspruch genommen werden würden, schon alleine wegen der Aufklärungsarbeit. Als die Reporterin sich mit einer Gruppe von Beraterinnen in Dortmund unterhielt und diese die Themen Dienstleistung und den Aspekt der Freier ins Spiel brachten, schien ihr das gar nicht recht. Sie nahm Wörter wie Gleichberechtigung und Abschaffung des Patriachats in den Mund. Eine der Beraterinnen brachte den Aspekt des Kunden ins Spiel und meinte, dass es eine Dienstleistung sei, die von fast jedem deutschen Mann in Anspruch genommen wurde. Sie sprach von einem "Bedarf". Die Reporterin brachte sofort das Beispiel Schweden und sprach davon die Männer umzuerziehen. Die Beraterinnen zeigten körpersprachliche Anzeichen von Wut. Die Reporterin bewertete durch ihre Fragen ganz eindeutig und ließ ihren eigenen Standpunkt, dass Prostitution verboten gehörte durchblicken, was die heftige Reaktion der Interviewten verdeutlichte. Die Beratungsstelle war ganz und gar nicht der Ansicht, dass Prostitution verboten werden sollte. Als ein Sozialarbeiter des Vereins Neutstart in Berlin ihr versicherte, dass das Verbot der Prostitution "sein Traum" wäre, kam ein heftiges bejahendes Kopfnicken.

Der Beitrag war also klar tendenziell für ein Verbot der Prostitution. Zwischenlösungen wurden nicht diskutiert. Es wurde auch mit keinem Wort recherchiert, wie viel Geld der Staat mit der Prostitution mache - oder wie leicht es in Schweden sei Sex gegen Geld zu bekommen.Einmal den Straßenstrich abzufahren und festzustellen, dass es einen offensichtlichen Rückgang gab ist zu wenig. Wenn die Dame vom ORF schon das Thema Steuern spielte, wäre es doch einmal interessant zu erfahren, wie viel Steuergelder ein Laden wie die groß gezeigte FKK-Sauna in Berlin abwerfe. Die Rolle des Freiers wurde über weite Strecken nicht beachtet oder tendenziell kriminalisiert. Die drogensüchtige und offensichtlich zugedröhnte Prostituierte von der Berliner Kurfürstenstraße bildete quasi den Rahmen. Sie tauchte zu Beginn und zum Schluss der Reportage auf. Als Mahnmal.

Am Schauplatz in der tvtheak
paello - 15. Nov, 23:31

hab die schauplatz sendung gerade gesehn. leider muss ich bestätigen was ich hier gelesen habe. nach wenigen minuten kennt man vorallem eines: die persönliche meinung der reporterin. keine gelungene reportage also.

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